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Katalysatoren für die Nachhaltigkeit

Inwiefern können digitale Prozesse die Nachhaltigkeit eines Unternehmens beschleunigen und wie sollten diese in einem Unternehmen angewandt werden? Dieser Artikel verschafft einen Überblick, über die derzeitigen gängigen Konzepte, Vorschriften und Lösungsansätze bezüglich Nachhaltigkeit im Unternehmen.

Nachhaltigkeit kann zunächst allen Aktivitäten zugesprochen werden, welche ein bedürfnisgerechtes Leben der heutigen Generation ermöglichen, ohne dabei die Grundvoraussetzungen eines ebensolchen Lebens für zukünftige Generationen zu gefährden.1 Bei näherer Betrachtung wird dies erst möglich, wenn der Schutz von natürlichen Lebensräumen und sozialverträglichen Lebens bei gleichzeitigem Erhalt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gesichert wird.2 

„Triple Bottom Line“ – Nachhaltiges Handeln auf drei Ebenen 

Vor diesem Hintergrund wird nachhaltiges Handeln auf den drei Ebenen Ökologie, Ökonomie und Soziales definiert („Triple Bottom Line“). Auf internationaler Ebene wurden 2015 durch die Ziele für nachhaltige Entwicklung (engl.: Sustainable Development Goals – SDGs) 15 generelle Entwicklungsrichtungen vorgegeben, an denen politische und wirtschaftliche Entscheidungen bis 2030 global ausgerichtet werden sollen. Wohl wissend, dass hierbei keine weltumspannenden juristischen Vorgaben definiert werden (können), stellen die vereinbarten Ziele unter anderem umfassende Leitplanken für die Erarbeitung von Unternehmensstrategien dar.3  

Der voranschreitende Klimawandel stellt Unternehmen besonders im ökologischen Bereich unter Zugzwang.

Durch die massive Verstärkung des Klimawandels sehen sich aktuell Politik, Gesellschaft und Unternehmen besonders im ökologischen Bereich in der Verantwortung, zu handeln. Oberste Priorität erhält die Eindämmung des Treibhauseffektes durch Dekarbonisierung. Neben den Standards der DIN EN ISO 14001, welche sich zur Erstellung eines Umweltmanagementsystems bereits weitreichend etabliert haben, existiert eine Vielzahl weiterer Leitlinien, Werkzeuge und Hilfsmittel für Unternehmen. Die wichtigsten davon werden im Folgenden überblicksartig vorgestellt. Der Beitrag soll damit als Sprungbrett dienen, um weiterführende Informationen rund um das Thema Nachhaltigkeit zu erhalten.  

CSR als freiwillige Unternehmenspraktiken zur Stärkung der Verantwortungsrolle in der Gesellschaft 

Corporate Social Responsibility (CSR) dient als Oberbegriff für alle freiwilligen Unternehmenspraktiken, welche die Verantwortungsrolle eines Unternehmens in der Gesellschaft stärken. Im Fokus steht insbesondere die strategische Ausrichtung auf nachhaltiges Wirtschaften und Engagement für das Gemeinwohl. Eine starke Orientierung am eigenen Kerngeschäft ist dabei von großer Bedeutung. Wesentliche Merkmale einer CSR-Strategie sind beispielsweise4:  

  • Fairer Umgang mit Stakeholdern (z. B. Lieferanten, Mitarbeiter) 
  • Transparenz in der Öffentlichkeit 
  • Konkrete Ziele zur Emissionsverringerung 
  • Ethische Lieferantenauswahl 

Die deutsche Bundesregierung ist bestrebt, Unternehmen bei derartigen Aktivitäten zu unterstützen.5 Neben allgemeinen Informationsportalen6 wurden im Zuge dessen Unterstützungsangebote zu verschiedenen Themenfeldern wie Überwachung globaler Lieferketten7 oder Stärkung der Menschenrechte8 ins Leben gerufen. Am 22. April legte die Bundesregierung einen ersten Entwurf des Lieferketten-Gesetzes und beriet sich diesbezüglich.

Ökobilanz – Life Cycle Assessment 

Das Technische Komitee ISO/TC 207 für „Umweltmanagement“ veröffentlichte die Europäische Norm „ISO 14040 – Umweltmanagement – Lebenszyklusanalyse“, in der die methodischen Grundlagen und Abläufe für die Erstellung von Ökobilanzen niedergeschrieben und standardisiert wurden. Grundprinzip ist die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus, d. h. „von der Wiege bis zur Bahre“. Im Allgemeinen kann eine Ökobilanz dazu beitragen, mögliche Verbesserungen der Umweltleistung von Produkten zu ermitteln, aber auch Marketingaspekte zu verbessern. Speziell im Hinblick auf Produktdesign und -entwicklung bietet der technische Bericht ISO/TR 14062 eine Anleitung zu verschiedenen Anforderungen. Die Teilinhalte und Komponenten der einzelnen Richtlinien werden in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. 

Aufbau der ISO14040-Familie
Aufbau der ISO14040-Familie, erstellt von Marian Süße

Die Durchführung von Ökobilanzstudien ist oftmals aufwandsintensiv, erfordert Fachexperten für die methodische Sauberkeit und ist nur mit bestimmten Softwarelösungen in adäquater Zeit durchführbar. Obwohl für viele Prozesse, Produkte und Regionen sehr große, standardisierte Datenbanken existieren, ist die Datensammlung für die eigenen, spezifischen Abläufe und Randbedingungen meist eine der aufwändigsten Tätigkeiten. Aufgrund dessen wurden und werden weitere, vereinfachte Methoden entwickelt, die den Prozess der Ökobilanzerstellung auf bestimmte Phasen, ökologische Wirkungen oder Produkte reduzieren. 

Product Environmental Footprint  

Der ökologische Fußabdruck hat sich als Maß für die Umweltverträglichkeit eines Individuums etabliert. Beschrieben wird die Fläche auf der Erde, die notwendig ist, um das Leben eines Menschen unter seinen heutigen Bedingungen zu ermöglichen. Diese Idee wurde von der EU aufgegriffen, um mit dem „Product Environmental Footprint“ ein einheitliches Maß für die Umweltverträglichkeit von Produkten zu entwickeln. Dabei erfolgt eine Betrachtung der umweltwirksamen Einflüsse über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Die zur Herstellung benötigten Energie und Materialströme werden durch feste Indikatoren ebenso aufgenommen wie die durch das Produkt verursachten Emissionen und Abfallströme. 

Nachhaltigkeitsbericht 

Nachhaltigkeitsberichte (engl. Corporate Responsibility Report oder Sustainable Value Report) dienen zu der freiwilligen Offenlegung der Auswirkungen des eigenen unternehmerischen Handelns auf ökologischer, ökonomischer und sozialer Ebene. Das damit verbundene Ziel liegt häufig darin, der gesellschaftlichen Erwartung nach Transparenz und Verantwortungsbewusstsein entgegenzukommen. Andererseits können Nachhaltigkeitsberichte aber auch als Wettbewerbsvorteil wirken und so zu einer treibenden Kraft für Veränderungen der jeweiligen Branche werden.  

Getreu dem Leitsatz „Measure to improve“ ist dabei insbesondere die Darstellung belastbarer Kennzahlen und konkreter Aktivitäten von hoher Bedeutung.9 Eine detaillierte Hilfestellung zur Erstellung des Nachhaltigkeitsberichtes bietet die Leitlinie der Global Reporting Initiative (GRI). Neben übergeordneten Prinzipien stellt die Leitlinie sehr konkrete Gestaltungshinweise zum Aufbau und Inhalt des Berichtes bereit 10. Im deutschsprachigen Raum liefern außerdem die „KPIs for ESG“ der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) sowie die Public Corporate Governance Kodizes (PCGKs) jeweils Ansätze zur öffentlichen Berichterstattung über Nachhaltigkeit.11, 12 Während die DVFA eher Großunternehmen und Konzerne adressiert, richten sich die PCGKs vorwiegend an staatliche Unternehmen. Dessen ungeachtet enthalten diese Quellen jedoch auch zahlreiche Anregungen für Unternehmen im Allgemeinen.       

Leitlinien & Initiativen 

Das Ziel nachhaltigen Wirtschaftens wird von zahlreichen deutschen, europäischen oder internationalen Verordnungen und Richtlinien begleitet. Viele der Vorschriften behandeln dabei einzelne Themenbereiche. Beispiele sind: 

  • EU-Richtlinie 2014/95/EU zur Angabe nicht-finanzieller Informationen & Diversität 
  • International Integrated Reporting Council (IIRC) 
  • UN Guiding Principles on Business and Human Rights 
  • GRI G4 Leitlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung 
  • Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK) 

Eine weitere internationale Richtlinie stellt die DIN ISO 26000 dar. Diese wurde in einem Expertenkreis entwickelt, um Organisationen und Unternehmen bei der Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zu unterstützen. Die Norm behandelt in sieben Kernthemen wesentliche Handlungsfelder auf allen Ebenen der Nachhaltigkeit. Die Norm wurde ausdrücklich als Orientierungshilfe entwickelt und ist daher nicht zertifizierbar. 

Herausforderungen in der Datenverfügbarkeit 

Daten bilden die wesentliche Grundlage, um Analysen zu einem Produkt und dessen Wertschöpfungsprozess vorzunehmen. Je valider und transparenter dabei die Datenquellen sind, desto vielversprechender sind die Ergebnisse der darauf aufbauenden Studien. Gerade hier zeigen sich jedoch im Kontext der Nachhaltigkeit erhebliche Herausforderungen.  

  • Woher kommen Daten der Lieferanten und der eigenen Produkte? 
  • Wie können die Auswirkungen eigener Produkte gemessen und bewertet werden? 
  • Wer kann und macht das?

Nicht zuletzt steigern für Unternehmen die Anforderungen an die Datenqualität nach den bereits beschriebenen Normen ISO 14040 und 14044 im Hinblick auf die Datensammlung erheblich. An dieser Stelle offenbart sich das Entwicklungspotenzial zwischen einer strukturiert und kontinuierlich umgesetzten Digitalisierungsstrategie und der ökologischen Bewertung und Berichterstattung von Unternehmen.  

Bewertung von Lieferanten 

Das Nachhaltigkeitsstreben eines Unternehmens ist eng mit der Überwachung seiner Lieferketten verbunden. Dafür werden Methoden zur Erfassung der Geschäftspraktiken von Lieferanten benötigt. Im sog. „Code of Conduct“ werden zunächst die Compliance und einzelne Prioritäten festgelegt. Klassische Instrumente wie Fragebögen, Audits und Monitoring, welche häufig bereits im Zuge des Qualitätsmanagements angewandt werden, können um die Nachhaltigkeitsdimension erweitert werden.  

Des Weiteren bieten diverse Software-Unternehmen Bewertungs- bzw. Nachweiswerkzeuge für Einkäufer an, um Daten von Zulieferern aufzunehmen, zu verwalten und auszuwerten. Auch Plattformen für Lieferanten werden bereitgestellt. Die Datensammlungs- und Analysewerkzeugen bewerten beispielswiese Bereiche der Compliance und Corporate Social Responsibility und untersuchen detailliert kritische Risikobereiche. Mit dem Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit werden zudem Werkzeuge für Lieferantenaudits und Verbesserungsmanagement gezeigt.

Wie fängt man an und wie geht’s weiter? 

Die angedeutete Vielzahl an Vorschriften, Richtlinien und Lösungen macht bereits deutlich: Ein durchgängiger und transparenter Nachhaltigkeitsnachweis erfordert Fach- und Methodenkompetenz. Für viele Unternehmen bedarf es dabei externer Unterstützung und einer klaren Benennung der verantwortlichen Akteure. 

Um im Dickicht der Anforderungen und Möglichkeiten durchzusehen, sollten zunächst die Ziele (sowie etwaige externe Anforderungen) klar definiert werden. Daran anknüpfend sollten in einem strukturierten Prozess, vom Groben zum Feinen, die beeinflussbaren ökologischen Hot-Spots identifiziert werden, die dann durch entsprechende Datenerfassungslösungen, Softwarewerkzeuge und eventuelles externes Know-how detaillierter analysiert werden. Die in diesem Dokument aufgezeigten Initiativen und Institutionen bieten dafür eine mögliche erste Anlaufstelle. 

Quellen:

1 Mumm, G. Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Dissertation, 2016. 

2 BUND. Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Stellungnahme des BUND zu ausgewählten Punkten. http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/nachhaltigkeit/20110912_nachhaltigkeit_bund_stellungnahme_fortschrittsbericht_2012.pdf. Accessed 31 July 2020. 

3 United Nations. The 17 Goals. https://sdgs.un.org/goals, 2015. 

4 Meyer, M., and J. Waßmann. Strategische Corporate Social Responsibility: Konzeptionelle Entwicklung und Implementierung in der Praxis am Beispiel „dm-drogerie markt“. Research papers on marketing strategy, vol. 3. Würzburg: Betriebswirtschaftliches Inst. Lehrstuhl für BWL und Marketing, 2011, 48 pp. 

5 BUND. Förderung der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen: Aktionsplan CSR. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/nachhaltigkeitspolitik/foerderung-der-gesellschaftlichen-verantwortung-von-unternehmen-464600. Accessed 6 August 2020. 

6 Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Unternehmenswerte. CSR Made in Germany. https://www.csr-in-deutschland.de/DE/Startseite/start.html. 

7 Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Gute Arbeit weltweit fördern: Initiative „Standards in Lieferketten“. https://www.bmas.de/DE/Themen/Soziales-Europa-und-Internationales/International/g7-schwerpunkt-thema.html, 2016. 

8 Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Förderung von Unternehmen. https://www.csr-in-deutschland.de/DE/Wirtschaft-Menschenrechte/Ueber-den-NAP/Originalfassung-des-NAP/4-Handlungsfelder/handlungsfelder.html#Schutzpflicht, 2015. 

9 Schollmeyer, O. In 7 Schritten zum Nachhaltigkeitsbericht: Ein praxisorientierter Leitfaden für mittelständische Unternehmen in Anlehnung an die G4-Leitlinien der Global Reporting Initiative (GRI). https://bdi.eu/media/presse/publikationen/2014_11_7_Schritten_Nachhaltigkeitsbericht_BDI_econsense.pdf. Accessed 30 July 2020. 

10 GRI. GRI Standards Download Center: Deutsche Übersetzungen. https://www.globalreporting.org/standards/gri-standards-translations/gri-standards-german-translations-download-center/, 2018. 

11 DVFA. KPIs for ESG: Key Performance Indicators for Environmental Social & Governance Issues. https://www.dvfa.de/der-berufsverband/standards/kpis-for-esg.html, 2008. 

12 Bundesministerium für Finanzen. Grund­sät­ze gu­ter Un­ter­neh­mens­füh­rung: Teil A – Der Public Corporate Governance Kodex des Bundes (PCGK). https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/Privatisierungs_und_Beteiligungspolitik/Beteiligungspolitik/grundsaetze-guter-unternehmensfuehrung.html, 2009. 

Titelbild: © Pixabay

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