zukunftsfabrik

„Wissen-Schaffende“ am Fraunhofer IWU – Interview mit dem Leiter des Geschäftsfeldes »Klimaneutraler Fabrikbetrieb« Mark Richter

Ein Interview mit dem Geschäftsfeldleiter Mark Richter gibt Ihnen einen Einblick in den Beruf des Wissenschaftlers am Fraunhofer IWU und beantwortet zudem die Frage, was es mit der Änderung des Namens „Hauptabteilung: Zukunftsfabrik“ zu „Geschäftsfeld: klimaneutraler Fabrikbetrieb“ auf sich hat.

Was macht eigentlich eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler – ein „Wissen-Schaffender“ in dem Geschäftsfeld „Klimaneutraler Fabrikbetrieb“ am Fraunhofer IWU? Die Komposition „Wissen Schaffender“ beschreibt die Tätigkeit bereits, anhand der Wörter „Wissen“ und „schaffend“. Doch welches Wissen und wie wird dieses konkret in den Projekten geschaffen, die auf dem Blog #zukunftsfabrik veröffentlicht werden? Das haben Sie sich bestimmt auch schon einmal gefragt, wenn Sie mit dem Fraunhofer IWU in Kontakt getreten sind. Wir wollen Ihnen mit diesem Beitrag einen ersten Einblick geben.

Hierzu befragen wir den Geschäftsfeldleiter Mark Richter:

Hallo Mark, du bist Leiter des Geschäftsfeldes »Klimaneutraler Fabrikbetrieb«. Was gehört hiermit zu deinen Aufgaben?

Dazu hole ich mal etwas weiter aus: Nach der Konstituierung unseres Wissenschaftsbereichs „Produktionssysteme und Fabrikautomatisierung – WPF“ im letzten Jahr haben wir zeitnah einen Strategieprozess gestartet. Dieser hat die Definition unserer Mission und Vision, die Konkretisierung unserer inhaltlichen Ausrichtung, die Festlegung von mittel- und kurzfristigen Zielen und die Anpassung der dafür notwendigen Struktur zum Ziel. Der Prozess läuft nach wie vor. Er setzt sich aktuell unter anderem mit der Rollendefinition und Weiterbildung unserer Führungskräfte auseinander. Ich persönlich halte dieses Vorgehen für enorm wichtig und wertvoll, um uns zukunftssicher gegenüber unseren Partnern aber auch untereinander im Wissenschaftsbereich bzw. im IWU aufzustellen.

Wie schon auf unseren TEAM-Seiten vorgestellt, sehe ich meine Aufgaben nach wie vor vor allem in der Motivation unseres Teams, nun noch mehr in der strategischen Ausrichtung unserer Forschungslinien sowie der Projektakquise als auch dem Initiieren und Leiten von Großprojekten.

Meinem Credo will ich dabei um jeden Preis treu bleiben: „Kommunikation ist alles!“

Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Geschäftsfeld?

Als ein Ergebnis des eben erwähnten Strategieprozesses haben wir Forschungslinien bzw. Schwerpunkte identifiziert, die inhaltlich an keinen Abteilungsgrenzen festzumachen sind. Wir haben uns deshalb entschieden, die Struktur im Wissenschaftsbereich dahingehend anzupassen. Es gibt nun drei Geschäftsfelder: »Kognitive Produktionssysteme«, »Agile Produktionsmaschinen und -anlagen“ und „Klimaneutraler Fabrikbetrieb“. Diese sollen nun matrixartig die themenbezogene Zusammenarbeit der Abteilungen noch mehr fördern und uns als Wissenschaftsbereich noch besser in die Lage versetzen ganzheitlichere Angebote an unsere Partner zu ermöglichen.

Wissenschaftsbereich Produktionssysteme und Fabrikautomatisierung

Der Begriff »Zukunftsfabrik« taucht nun nicht mehr als Bezeichnung einer Struktureinheit auf, gebt ihr ihn auf?

Ganz im Gegenteil: Die Zielstellung, wir bauen alle hier gemeinsam weiter an der »Zukunftsfabrik«, mit all den Aspekten die dazugehören, verfolgen wir auf jeden Fall weiter. Dafür nutzen wir den Hashtag #zukunftsfabrik sowohl in verschiedenen Netzwerkkanälen als auch als Namensbestendteil unseres BLOGS hier konsequent weiter. Die Marke #zukunftsfabrik bleibt.

Kannst du ein praktisches Beispiel erläutern, wie das Geschäftsfeld Klimaneutraler Fabrikbetrieb vorausschauend agiert und somit zukunftsweisende Forschung betreibt? Zum Beispiel anhand von einem früheren oder aktuell laufenden Projekt?

Wie gesagt, sind wir ja gerade erst dabei, die Geschäftsfelder zu etablieren und unsere Arbeitsweise dahingehend anzupassen. Dennoch gab es auch in der Vergangenheit schon Vorhaben, bei denen die inhaltliche Ausrichtung unserer Forschung mehrere Fachgebiete bzw. ehemalige Hauptabteilungen überstrich. Ein aktuelles Beispiel sind einige der Wasserstoffthemen. Im Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare sind wir im Wissenschaftsbereich mit zwei Abteilungen beteiligt: »Digitale Produktion« und natürlich »Fabriksystemdesign und Produktionsplanung“ mit der Gruppe »Nachhaltige Energiesysteme«. Bei der inhaltlichen Planung dieses Vorhabens haben wir sehr vorausschauend agiert, da in unterschiedlichen Vorprojekten in den Abteilungen bereits Inhalte erarbeitet wurden, die hier nun gemeinsam weiterverfolgt werden. Dabei geht es unter anderem um die Weiterentwicklung einer Simulationsplattform für die Wasserstoffwertschöpfungskette als auch um die Fortführung der Arbeiten zu gekoppelten Simulationen für die Etablierung von wasserstoffbasierten Energiesystemen. Genau um derartige übergreifende Zielstellungen in unserem Wissenschaftsbereich gezielt voranzubringen, braucht es die Übersicht und die thematische Fokussierung der Geschäftsfelder.

Mal Hand aufs Herz: Was gefällt dir an deiner Arbeit besonders und wo siehst du noch Verbesserungspotenziale?

Mir macht es großen Spaß neue Dinge anzugehen und konkret voranzubringen. Eine meiner Stärken dabei ist sicherlich das Netzwerken. Und das ist auch ein Punkt, der mir besonders gut gefällt und viel Spaß macht – sowohl innerhalb des IWUs als natürlich auch nach außen. Gerade in der Kommunikation und Zusammenarbeit „über den Tellerrand hinaus“ liegen oft die meisten Chancen und Potenziale. Verbessern lässt sich dabei natürlich immer etwas. Ich bin schon ziemlich lang am IWU und beobachte mittlerweile an vielen Stellen einen Generationenwechsel. Diesen zu meistern sehe ich als Herausforderung für uns alle. Wir – und da schließe ich mich selbstverständlich ein – müssen es schaffen, uns so aufzustellen, dass wir für unsere Partner ein erstklassiger Ansprechpartner für industrienahe Forschung und Entwicklung und gleichzeitig für junge Leute ein interessanter Arbeitgeber bleiben.

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag aktuell bei dir aus?

Ich starte meist am Frühstückstisch mit Nachrichtenlesen, von denen ich dann die ein oder andere News-Meldung mit Bezug zu unseren Themen an Kolleginnen und Kollegen verteile. Typischerweise verwende ich tagsüber einen großen Anteil der Arbeitszeit für die Akquise. Das bedeutet, ich führe Gespräche mit Partnern aus der Industrie und anderen Forschungseinrichtungen, um Projekte zu initiieren. Dazu kommen natürlich inhaltliche, organisatorische Abstimmungen zu laufenden Projekten mit sowohl Partnern als auch Beteiligten aus dem IWU. Absprachen zu Belangen innerhalb unseres Wissenschaftsbereiches finden regelmäßig mit den andern Führungskräften geplant als auch kurzfristig ad-hoc nahezu täglich statt. Insofern ist ein typischer Tag für mich geprägt von einer Vielzahl von Themen und jeder Menge Kommunikation. Den Heimweg nutze ich meist für die Rückrufe zu den am Tag unbeantwortet gebliebenen Anrufen.

Hat die Covid19-Pandemie deinen Arbeitsalltag beeinflusst? Wenn ja, inwiefern?

Ja, schon! Die meisten meiner Tage bestanden in den vergangenen Monaten aus vielen aneinandergereihten online-Terminen. Als gern Kommunizierender vermisste ich in meinem Arbeitsalltag den Austausch face to face in unserem Team und auch mit externen Partnern wirklich sehr. Ich vermute, dass es wohl den allermeisten Menschen so ging. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir während der Pandemie zu den Privilegierten gehörten. Keiner von uns musste sich Sorgen um Job und/oder Geld machen. Die meisten konnten ohne größere Probleme von zu Haus arbeiten. In den letzten Wochen hat erfreulicherweise das reale Aufeinandertreffen wieder zugenommen und ich hoffe, dass wir das dauerhaft fortsetzen können. So gibt es auch wieder Tagungen und Netzwerktreffen, an denen ich übers Jahr teilnehmen werde.

Was sagst du rückblickend sowie aktuell zu den Stichworten „Homeoffice“ und „Kommunikation mit dem Team“ während der Corona-Pandemie? Gab es Herausforderungen oder auch Entwicklungen, die du als positiv bezüglich deiner Arbeit einordnen würdest?

Zu Beginn der Pandemie hatte ich große Sorge, wie wir durch diese Zeit kommen würden. Mit Blick auf den fehlenden direkten Kontakt zu unseren Kunden und Partnern als auch unter uns. Wider Erwarten funktionierte unsere Arbeit von zu Hause aus sehr gut. Neben dem „normalen“ Austausch verabredeten wir uns zwei, drei Mal die Woche zusätzlich zu einem digitalen DAILY jeweils am Morgen. Jeder sprach kurz über: „Was habe ich gestern erreicht?, Was habe ich heute geplant?, Wobei habe ich Probleme oder gibt es Risiken, um (meine/unsere) Ziele zu erreichen?“ Das hat uns enorm geholfen, auch online im permanenten Kontakt und Austausch zu bleiben. Abends haben wir uns immer mal wieder online verabredet um die fehlenden Gespräche beim Kaffeeholen und Mittagessen zumindest etwas zu kompensieren. Ich habe wahrgenommen, dass es in der Mannschaft eine große Hilfsbereitschaft gab, zum Beispiel, die Kolleginnen und Kollegen mit Kindern zusätzlich zu unterstützen. Da wurden sehr bereitwillig auch Zusatzaufgaben übernommen und Freiräume geschaffen. Als es die Möglichkeit gab, wieder ans Institut zu kommen, haben die meisten von uns sehr schnell teilweise davon Gebrauch gemacht. Ich hatte und habe den Eindruck, dass der persönliche Austausch doch vielen am Herzen liegt.

Heute sage ich: Meine Sorgen waren unbegründet. Wir sind viel besser als anfangs von mir befürchtet durch diese Zeit gekommen. Insofern ist aus meiner Sicht der Beweis erbracht: „Wir können Homeoffice“.  

Ein sehr guter Bekannter, mit dem ich letztes Jahr mal über dieses Thema sprach, sagte zu mir: „Teams, die vor der Pandemie schon gut miteinander funktionierten und füreinander da sind, bestehen auch solche Herausforderungen viel besser als andere.“ Insofern bin ich meinen Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar fürs Mitziehen – auch in dieser herausfordernden Zeit!

Die Fraunhofer-Gesellschaft gründete vor 31 Jahren (1991) das Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Chemnitz. Das Geschäftsfeld „Klimaneutraler Fabrikbetrieb“ wurde erst letztes Jahr etabliert. Wo siehst du dieses Geschäftsfeld in den nächsten zwei Jahren? Kannst du uns ein bisschen an deiner Zukunftsvision teilhaben lassen und Einblicke in aktuelle Pläne geben?

Leider haben wir unseren 30. Geburtstag im letzten Jahr nicht feiern können. Das holen wir dieses Jahr aber nach. Das vergleichsweise junge Geschäftsfeld ist inhaltlich ja nicht so neu. Das IWU beschäftigt sich seit ca. 2008 mit dem Themenkomplex der „Energie- und Ressourceneffizienz“.

All die Themen (siehe Abbildung), mit denen wir uns seit dieser Zeit auseinander setzten und Lösungen entwickelt haben, zahlen auf das Ziel des „Klimaneutralen Fabrikbetriebes“ ein. Der lang offenbarte Klimawandel sowie die aktuellen Entwicklungen, welche unsere Energieversorgung beeinflussen, zwingen unsere Wirtschaft, schnellstmöglich auf sichere UND nachhaltige Energie zu setzen. Aktuell nehme ich wahr, dass größere Unternehmen, sich dieser Aufgabe häufig besser gegenüber sehen, als viele Klein- und Mittelständler. Ich verstehe es als unsere Aufgabe, allen Unternehmen dabei zu helfen, schnellstmöglich zu einem nachhaltigen Fabrikbetrieb zu kommen. Und dafür gibt es viele Ansatzpunkte. Zum einen, gibt es aus unserer Sicht nach wie vor Effizienzpotenziale zu heben. Zum anderen liegt ein wesentlicher Schlüssel in der notwendigen, zunehmenden Nutzung von dezentral erzeugten Erneuerbaren Energien in Verbindung mit der Nutzung von Energiespeichern und -wandlern ebenso wie in der Integration von wasserstoffbasierten Energieversorgungskomponenten in bestehende Energie-Infrastrukturen. Zu all diesen Themen laufen bereits Projekte. Zum Beispiel ist dieses Jahr »ESiP -Energiespeicher in der Produktion« gestartet – dabei geht es um die Entwicklung eines Auslegungswerkzeuges für Energiespeicher in verschiedenen Verteilebenen von Fabriken. Wir starteten mit »Clean Energy City«, einem Investitionsvorhaben, den Aufbau von Wasserstoffinfrastruktur hier am IWU. Daran werden wir ganz praktisch die Integration und Betriebsführung von Elektrolyseuren und Brennstoffzellensystemen zur Energieversorgung von Fabriken entwickeln. Damit verbunden arbeiten wir an dem Zukunftsthema der sogenannten »DC-Fabrik«, einer Fabrik, die ausnahmslos mit Gleichstrom funktioniert.

All diese Vorhaben beschäftigen uns in der nächsten Zeit. Wie schon gesagt: Wir arbeiten an der #zukunftsfabrik.

Lisa Heinemann

Studentische Hilfskraft
Tätigkeitsfeld: wissenschaftliche Redaktion und Blogkonzeption

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