Beitragsreihe zur Expertise „Umsetzung von cyber-physischen Matrixproduktionssystemen“ – Entwicklungspfade zu einer Matrixproduktion

Rückblick: Im letzten Blogbeitrag der Beitragsreihe „Umsetzung von cyber-physischen Matrixproduktionssystemen“ wurden das Reifegradmodell zur Bewertung einer Matrixproduktion vorgestellt. 

Bildung von Clustern der untersuchten Matrixproduktionssysteme 

Zur Bestimmung der Entwicklungspfade unterteilten wir die befragten Unternehmen hinsichtlich ihrer erreichten Reifegradstufen in Cluster. Die Abbildung 1 zeigt auf, wo sich aktuelle Produktionssysteme im Entwicklungsstand zur Matrixproduktion befinden und welche Branchen bzw. Anwendungsfelder diese repräsentieren.  

Abbildung 1: Charakteristische Ausprägung untersuchter Matrixproduktionssysteme¹ 

Cluster 1: Werkstattfertigung mit teilautomatisierter Steuerung  

Diese Produktionssysteme bestehen aus frei anfahrbaren Anlagen und Arbeitsplätzen. Aufgrund eingesetzter spezialisierter Prozessmodule besitzen diese jedoch keine Rekonfigurierbarkeit. 

Cluster 2: Halbleiterfertigung

In diesem Feld befinden sich vorwiegend starre modulare Strukturen. Durch die hochautomatisierte Steuerung mit Optimierungsalgorithmen und den flexiblen Materialfluss werden trotzdem eine hohe Produktivität und Flexibilität ermöglicht. Die hoch spezialisierten festen Anlagen sehen jedoch aufgrund der Komplexität keine Rekonfigurationsmöglichkeiten vor. 

Cluster 3: Manuelle, rekonfigurierbare Systeme  

Dieses Cluster zeichnet sich durch die Gestaltung der Prozessmodule aus, welche eine einfache Rekonfiguration ermöglichen. Allerdings ist steuerungsseitig nur wenig Automatisierung und kein flexibler Materialfluss vorhanden. 

Cluster 4: Vorstufe einer cyber-physischen Matrixproduktion

Produktionssysteme dieser Art besitzen einen hohen Automatisierungsgrad bei den Bearbeitungs- und Transportprozessen. Oftmals wird hier bereits eine Arbeitsverteilungsflexibilität¹ mithilfe von automatisierten Auftragssteuerungssystemen genutzt. Des Weiteren werden im System Rekonfigurationsmöglichkeiten vorgesehen.  

Cluster 5: Vollumfängliche cyber-physische Matrixproduktion

In diesem Cluster befinden sich Produktionssysteme mit einer modularen Struktur. Die Prozessmodule können in Bezug auf Funktion und Anordnung rekonfiguriert werden, wodurch eine hohe Flexibilität erreicht wird. Kombiniert mit einem automatisierten Auftragssteuerungssystem besitzen diese Systeme Arbeitsverteilungsflexibilität und Operationsreihenfolgeflexibilität², um die Systemauslastung bei unterschiedlichen Produktionsszenarien zu nivellieren.  

¹ Arbeitsverteilungsflexibilität: Freiheitsgrade der auftragsbezogenen Zuordnung beziehungsweise Beplanung von Fertigungs- und Montageoperationen zu Prozessmodulen mit gleichen Fähigkeiten. 

² Operationsreihenfolgeflexibilität: Freiheitsgrade der auftragsbezogenen Reihenfolge der Fertigungs- und Montageoperationen. Wird durch die Produktstruktur (modularer Aufbau individualisierter Produkte) und die Systemstruktur (modulare Struktur, frei anfahrbare Prozessmodule) ermöglicht. 

Entwicklungspfade zur Matrixproduktion  

Auf Basis der gebildeten Cluster ließen sich drei wesentliche Wege zur Matrixproduktion ableiten. Die einzelnen Pfade sind in Abbildung 2 dargestellt und werden nachfolgend beschrieben. Wichtig zu erwähnen ist, dass eine Entwicklung bis hin zur vollumfänglichen cyber-physischen Matrixproduktion nicht für alle Branchen oder Unternehmen sinnvoll ist. Beispielsweise besitzen die starren, festen Anlagen aus der Halbleiterindustrie keine Möglichkeit der örtlichen Rekonfiguration.  

Abbildung 2: Entwicklungspfade zur Matrixproduktion¹ 

Steuerungsorientierter Pfad: 

Dieser Pfad setzt den Fokus auf den Aufbau einer automatisierten Auftragssteuerung mit Optimierungsfunktionen und die Automatisierung der Materialflüsse. Dieser Weg ist geeignet für bestehende Werkstattproduktionen, da diese bereits modular sind und in Bezug auf die Produktivität von einer automatisierten Steuerung des Produkt- und Materialflusses profitieren können.  

Strukturorientierter Pfad: 

In diesem Pfad findet als Erstes eine Modularisierung durch die Auflösung der starren Strukturen statt. Dazu werden automatisierte Steuerungsfunktionen und flexible Materialflüsse Stück für Stück integriert. Dieser Weg ist geeignet, wenn manuelle Montagesysteme hin zur Matrixproduktion entwickelt werden sollen. 

Ganzheitlicher Pfad: 

Bei dieser Entwicklungsrichtung werden struktur- und steuerungstechnische Aspekte gleichzeitig ausgebaut. Dieser Weg ist eher für Unternehmen geeignet, die bereits Erfahrungen bei der Einführung und den Betrieb von komplexen Systemen wie die Matrixproduktion haben. 

Technologieausrüster als Befähiger für die Matrixproduktion 

Technologieausrüster sind essenziell für die Umsetzung eines Matrixproduktionssystems. Vor allem die Schlüsselaspekte Produktionsressourcen, Systeme zur Produktionsplanung und -steuerung sowie Anbieter von Transportsystemen bilden wichtige Säulen für die Befähigung eines Matrixproduktionssystems. Die Ergebnisse aus der Studie zeigen, dass die erforderlichen Technologien am Markt als Einzellösungen verfügbar sind, allerdings fehlt es an Komplettanbietern.  

Abbildung 3 zeigt beispielhaft Lösungen von Technologieausrüstern, die im Rahmen der Expertise identifiziert und befragt werden konnten.  

Abbildung 3: Technologieausrüster für Schlüsselaspekte der Matrixproduktion¹ 

Fazit 

Die Beispiele der untersuchten Unternehmen aus der Praxis zeigen, dass Großunternehmen und größere Mittelständler Matrixproduktionen anwenden. Jedoch unterscheiden sich diese in der spezifischen Anwendung, Ausgangssituation und der Zielstellung. Deshalb ist eine Prüfung der Anwendbarkeit der Matrixproduktion je Anwendungsfall sinnvoll. Seitens der Technologieausrüster werden Einzellösungen für Matrixproduktionssysteme angeboten, jedoch keine Gesamtpakete inklusive Anlagentechnik und Prozessautomatisierung. 

Aufgrund der Dynamik in den betrachteten Bereichen der Expertise entwickelt sich der Anbietermarkt sowie das Interesse zur Umsetzung und Betrieb von Matrix-Systemen stetig weiter. Wir freuen uns daher über Ihre Fragen und Hinweise zur Einschätzung weiterer Lösungen und Technologien!  

Die Expertise steht unter folgendem Link zum Download bereit. Dort finden Sie weitere spannende Einblicke rund um das Thema Umsetzung einer cyber-physischen Matrixproduktion. 

Weitere Beiträge zur Expertise werden in naher Zukunft im Rahmen der Beitragsreihe „Cyber-physische Matrixproduktionssysteme in der Industrie“ auf dem Blog Zukunftsfabrik folgen.  

1: Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0/acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Hrsg.): Umsetzung von cyber-physischen Matrixproduktionssystemen, 2022, DOI: 10.48669/fb40_2022-03