zukunftsfabrik

One-Stop-Shop für die Automobilproduktion

Die Automobilproduktion steht vor einem großen Wandel. Prof. Dr.-Ing. Steffen Ihlenfeldt ist Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU. Als Sprecher der Fraunhofer-Gesellschaft für den Anlagen- und Maschinenbau sagt er: „Deutschlands Technologieführerschaft können wir nur mit einer engen Allianz aus Industrie und Forschung sichern.“

Die Automobilproduktion steht vor einem großen Wandel. Prof. Dr.-Ing. Steffen Ihlenfeldt ist Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU. Als Sprecher der Fraunhofer-Gesellschaft für den Anlagen- und Maschinenbau sagt er: „Deutschlands Technologieführerschaft können wir nur mit einer engen Allianz aus Industrie und Forschung sichern.“

Prof. Dr.-Ing. Steffen Ihlenfeldt

Professor Ihlenfeldt, wie sicher sind Sie, dass der Standort Deutschland den Wandel der Automobilproduktion meistert?

Ich bin da sehr sicher. Wir bei Fraunhofer begleiten OEMs, Zulieferer, Ausrüster und Dienstleister schon seit langer Zeit und wissen daher ziemlich gut, wie innovativ und anpassungsfähig die Industrie insgesamt ist. Um sicherzustellen, dass Deutschland weiterhin Technologieführer in diesem Bereich bleibt, müssen wir zukünftig unsere Prozesse anders gestalten, Innovationen gezielt angehen und die Vernetzung forcieren.

Sie sprechen vom neuen One-Stop-Shop der Fraunhofer-Allianz für den Anlagen- und Maschinenbau.

Ja, das ist ein ganz wichtiger Baustein. Fraunhofer ist nachweislich Spitze in der Forschung, wir werden von außen aber manchmal als zu stark ausdifferenziert wahrgenommen. Darauf reagieren wir und schaffen mit der neuen Struktur ein attraktiveres Angebot: eine Anlaufstelle für komplexe Anfragen – etwa zur Flexibilisierung der Produktion.

Transfer beschleunigen

Was bringt das einem Automobilzulieferer, der vielleicht gerade auf der Suche nach einer neuen Innovationspartnerschaft ist?

Wir kennen die Unternehmen, die Bedarfe, die Forschungsfragen. Daraus können wir systemische Lösungen initiieren und zu deren Umsetzung die notwendigen Partner zusammenbringen.

Wenn potenzielle Partner zum Beispiel intelligente, sich selbst optimierende Anlagen entwickeln möchten, wenn sie resiliente und agile Prozessketten für CO2-neutrale Produktionskreisläufe suchen oder gar wandlungsfähige Fabriken, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, dann haben sie mit der Allianz einen zentralen Kontakt, mit dem sie das diskutieren können und mit dem sie zu passfähigen Partnern und Angeboten kommen. Die gesamte Koordination der jeweils notwendigen Expertinnen und Experten, der anwendungsbereiten Technologien sowie viele weitere Prozesse im Hintergrund übernehmen wir. Das ist die Grundidee des One-Stop-Shops für Innovationen bei Fraunhofer.

Quasi alles aus einer Hand für die gesamte Wertschöpfungskette.

Genau, das entlastet unsere Partner enorm und beschleunigt zugleich den gesamten Entwicklungs- und Transferprozess. Dass wir die Geschwindigkeit, mit der Innovationen entstehen und auch angewendet werden, erhöhen müssen, ist Teil des dynamisierten Marktgeschehens. Wir sind darauf eingestellt und liefern komplexe systemische Lösungen in enger Kooperation – nicht nur mit internen Partnern.

Von KI bis Kreislaufwirtschaft

Wer schneller ans Ziel kommen will, muss dieses bereits vor Beginn der Reise kennen. Welche Forschungsschwerpunkte werden im Hinblick auf aktuelle Herausforderungen besonders wichtig?

Der Verband der Automobilindustrie hat in seiner letzten Roadmap schon sehr detailliert gezeigt, wo besonders großer Forschungsbedarf besteht. Wir berücksichtigen das natürlich, indem wir aktuell zum Beispiel Fertigungsumgebungen aus modularen Einheiten schaffen. Teams oder Schwärme von Robotern, Maschinen oder Transportmitteln kollaborieren und arbeiten (teil)autonom zusammen. Kern dieser Fertigungsumgebung ist eine hierarchisch aufgebaute, übergeordnete Intelligenz und Vernetzung zur Realisierung komplexer Fertigungsaufträge in den Teams.

Ebenso forschen wir zur »Zirkulären Produktion« und entwickeln dabei Verfahren zum Re-Manufacturing, insbesondere für hochintegrierte Komponenten der Elektromobilität. Neue Ansätze zur Fabrikplanung, die den Menschen wieder stärker in den Mittelpunkt bringen, spielen dabei ebenso eine Rolle wie flexible Anlagenkonzepte, die für schnelle Produktwechsel geeignet sind und ihre Digitalen Zwillinge mit generieren. 

Spielen Querschnittsthemen, wie den 3D-Druck oder die Dateninfrastruktur in der Allianz eine wichtige Rolle?

Die Allianz und ihr One-Stop-Shop haben Zugriff auf viele weitere Netzwerke innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft. Es gibt zum Beispiel ein eigenes Kompetenzfeld aus 18 Instituten nur für die additive Fertigung – ein für die Automobilindustrie zunehmend interessantes Thema. Wir forschen hier an der Effizienzsteigerung bei der Produktion individualisierter Produkte und der Integration von Druck- und Laserbearbeitungsprozessen in digitale Fertigungsumgebungen. Neue Materialien, Sensorintegration, superschnelles 3D-Drucken – das sind die Kernthemen. Bei der Dateninfrastruktur geht es neben den Möglichkeiten des autonomen Fahrens auch um zukunftsfähige Geschäftsmodelle zur Nutzung von Produktions- und Mobilitätsdaten. Deswegen bringt Fraunhofer sein Produktions-Know-how und umfangreiche IT-Kompetenzen auch in das europäische Datenökosystem GAIA-X und in die Allianz für sicheren und unternehmensübergreifenden Datenaustausch in der Automobil- und -zulieferindustrie Catena-X ein.

Mobilität produzieren

Welchen Stellenwert erhält das Thema Klimaneutralität?

Hier möchte ich mich auf den Anlagen- und Maschinenbau beziehen. Es beginnt schon bei der Fabrikplanung. Produktionsstandorte speisen sich zukünftig aus mehreren Energiequellen und müssen auf Volatilität durch erneuerbare Energien zum Beispiel durch Lastverschiebungen, Energieträgerwechsel oder den Einsatz von Energiespeichern reagieren können. Dazu gibt es bei Fraunhofer vielversprechende Lösungen. Hinzu kommt aber: Die bisherigen Produktionsverfahren für batterie- und wasserstoffbasierte Antriebe sind noch zu teuer. Daran wird mit Hochdruck geforscht. Die Massenproduktion von 100-Kilowatt-Brennstoffzellensystemen für Automobile sollte dann laut Expertenmeinungen nur noch rund 5.000 Euro kosten – weniger als zehn Prozent der aktuellen Kosten. Grundsätzlich steht die stärkere Verknüpfung des Designs von klimafreundlichen und ebenso kostengünstigen Produkten mit klimaneutraler Produktion in unserem Fokus.

Es zeigt sich: Die Mobilität der Zukunft muss produziert werden. Mit einer engen Allianz aus Industrie und Forschung können wir Deutschlands Technologieführerschaft im Automobilbereich sichern und zugleich den Export von Produktionsmaschinen fördern.

Siehe auch: Twitter-Post des Fraunhofer IWU bezüglich der Veröffentlichung des Interviews mit Prof. Dr.-Ing. Ihlenfeldt im Handelsblatt

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